Und hier wieder, aus der Feder Irings.....
Leider war der Steinkeil zu schwer zum Mitnehmen, er hätte eine wunderbare Trophäe abgegeben. Auf Jolashs anraten zogen wir nun die Mittagspause vor, um unsere Wunden zu versorgen und uns ein wenig zu stärken.
Während des Mittagsmahls dachte ich ein wenig darüber nach, welche Kreaturen wohl für die Entführung der kleinen Walga verantwortlich sein könnten. Durch meine Studien über den Bornwald kamen mir da gleich mehrere in den Sinn, natürliche wie wiedernatürliche. Da waren zum Beispiel der Aquilus Giganticus (Garethi: Riesenaar), ein mächtiger Raubvogel, auch der Aquilus Equus (Garethi: Hippogriff), eine Mischung aus Pferd und Adler, war ein geeigneter Kandidat. Aus der Familie der Drachen kamen der Draconis Minor (Meckerdrache) und der Draconis Silvanus (Baumdrache) in Frage. Zu guter Letzt gab es auch noch den Nuntius Praiorum (Garethi: Greif), doch warum sollte ein Diener des Göttervaters ein kleines Mädchen entführen? Alle diese Möglichkeiten musste ich verwerfen als Jolash die Fährte des Wesens als Wolfsspur identifizierte. Aber es gab ja auch noch andere, übernatürliche Wesen, herbeigerufen von mächtigen Wirkern der Magie, was unsere Aufgabe nicht gerade vereinfachen würde. Der Homunculus Maior (Garethi: Gargoyle) stellte dabei die harmloseste Variante dar, denn selbst ein Novize aus dem zweiten Lehrjahr kann einen Wasserspeier beherrschen. Schwerwiegender wäre es wenn sich unser Wesen als Daimonis Nuntius Praiorum Pervertico (Asqarathi-Dämon) oder als Hybridum Magicorum (Chimäre) herausstellen würde, denn dann würden wir zugleich einem äußerst mächtigen Dämonenbeschwörer oder einem gleichsam begabten Meister der Magica Mutanda gegenüberstehen. Mit dem Fund der Wolfsspuren kam jetzt eigentlich nur noch die Chimäre in Betracht.
Aber jetzt war auch schon die Zeit für den Aufbruch gekommen und wir nahmen das mühsame Stapfen durch den knietiefen Schnee und das tückische Unterholz wieder auf. Ich bewunderte unsere beiden Krieger, die mit ihren mächtigen und ausdauernden Körpern einen halbwegs gangbaren Weg durch die Wildnis bahnten, während unser „Späher“ Jolasch nur die Nachhut übernahm. Dank der frühen Dämmerung hatten unsere Qualen aber bald ein Ende und wir fanden ein gemütliches Nachtlager unter einem Felsüberhang. Und diesmal war es der Maraskani, der auf seiner Wache einschlief. Ich glaube, wir sollten unser System für die Nachtwache überdenken, oder ganz darauf verzichten, weil letztendlich doch alle in Borons Armen versinken!
15. Hesinde 16 Hal
Bornwald
Wir erwachten alle wohlbehalten durch das süße Aroma von Jolaschs Kräutertee, den dieser auf dem kleinen Lagerfeuer erhitzt hatte. Nach dieser Stärkung waren wir auch schon für die nächste Tagesetappe bereit, wieder bahnten Ragnar und Nynjian uns einen Weg durch Dickicht und Schneewehen. Immer wieder einmal fanden wir die Spuren des geflügelten Untiers, und später am Tag auch den Ort eines Massakers! Über eine Lichtung verteilt fanden wir die Überreste eines Nachtlagers: zerrissene Decken und Umhänge, verteilte Ausrüstungsgegenstände, sowie Fleisch und Fellreste, die ich dank meiner Anatomiekenntnisse als die Überreste von vier Orks identifizieren konnte. Während ich mich noch mit den orkischen Fleischfetzen beschäftigte, verharrte Nynjian angeekelt am Rande der Lichtung, Rowenna versuchte ihren Hund Odin daran zu hindern, mir meine Untersuchungsgrundlagen zu entwenden, Jolasch sicherte die Umgebung, während Ragnar unbeeindruckt von den Blutspritzern und umherliegenden Innereien die Habseligkeiten der Orks nach Brauchbaren und Wertvollen durchstöberte. Selbstlos teilte der Thorwaler danach seine Funde mit uns - Nynjian scheint diesbezüglich einen guten Einfluss auf ihn zu haben. Für mich fiel ein schöner aus einem Schädel geformter Trinkbecher ab, ein würdiges Trinkgefäß für einen Totenbeschwörer!
Da es hier nun nichts weiter zu tun gab - die wilden Tiere würden sich um die Reste der Orks kümmern - folgten wir unseren Weg nach Westen weiter.
Etwa eine Stunde vor der Dämmerung erreichten wir einen Hügel, um den sich ein Weg emporwandte. Wir alle waren nun einhellig der Meinung, nun unser Ziel erreicht zu haben und begannen unseren Aufstieg zu einem Höhleneingang in etwa dreißig Schritt Höhe. Als wir in die unbekannten Tiefen des Berges eintauchen wollten, ergab sich ein ungeahntes Problem, denn der Maraskani schien von mehr Phobien geplagt zu werden, als wir angenommen hatten: Er weigerte sich strikt, den dunklen Gang zu betreten. Selbst gutes Zureden durch Rowena konnte den Maraskani zunächst nicht davon überzeugen weiterzugehen. Als wir ihn dann endlich doch soweit hatten, bemerkten wir, dass Jolasch verschwunden war und da wir alle keine Fährtenleser waren und wir den Schnee um den Höhleneingang sowieso komplett niedergetreten, hatten konnten wir auch nicht mehr feststellen, wohin. Also gingen wir ohne den Jäger weiter vor, doch es sollte nicht lange dauern, bis wir ihn wieder trafen. Der Gang mündete in eine große natürliche Grotte von etwa 25 Schritt Durchmesser, die von grünlich leuchtenden Pilzen erhellt wurde, ein grünlicher Nebel durchwaberte den Raum und in der Mitte des Raumes, inmitten eines Heptagramms aus roter Kreide stand der Vermisste. Zuerst vermutete ich, er sei unter den Einfluss eines Beherrschungszaubers hierher befohlen worden, doch der Eindruck änderte sich schnell. Die Gestalt drehte sich um, seine Augen glühten rötlich und eine seltsame Metamorphose ging mit seinem Körper vonstatten: Die Kleidung riss auf und entblößte einen muskulösen Oberkörper von steingrauer Farbe, an seinem Rücken entfalteten sich riesige Fledermausflügel und sein Gesicht verwandelte sich in eine hässliche, wolfsähnliche Fratze, deren Augen sich vierfach teilten. Ich muss zugeben, ein Meisterwerk der Verwandlungskunst! Aus einem weiteren Gang am gegenüberliegenden Ende der Höhle galoppierten zwei seltsame Kreaturen an die Seite ihres Meisters. F A S Z I N I E R E N D, zwei wunderbare Beispiele magischer Mutanda: An mächtigen Wolfskörpern hafteten gewaltige lederne Fledermausschwingen und furchteinflößende Zähne blitzten uns entgegen. ICH HATTE RECHT, das mysteriöse Wesen war eine Chimäre gewesen, und was für eine, selbst eines Zurbarans von Frigorn würdig, und wohl auch der berühmt-berüchtigte Chimärologe Abu Terfas hätte die Kreaturen mit Wohlwollen betrachtet. Anders der elende Wurm von einem Magier, der seine Seele der Erzdämonin Asfaloth geopfert hatte, Schande und ewige Verdammnis (die ihn sowieso erwartet) über ihn, ein Magier sollte Herr der Dämonen sein und nicht die Marionette derselben. Noch in der Bewunderung der herrlichen Konstrukte versunken, bemerkte ich plötzlich, dass ich allein neben dem großen Thorwaler, der wahrscheinlich bei der Aussicht auf einen guten Kampf, seinen ganzen Aberglauben einmal vergessen hatte, stand; die beiden Hunde hatten im Angesicht ihrer größeren und wilderen Vettern jaulend das Weite gesucht und Rowena und Nynjian betrachteten mit entsetztem Gesicht die Vorgänge vom Höhleneingang aus. Der mutierte Magus hieß uns „willkommen“ und erklärte, dass er gedenke, uns als Bedrohung für sein „Projekt“ und gleichsam als „gutes Material“ für seine Experimente zu verwenden.
Dann brach der Kampf los. Ragnar fackelte nicht lange: Der Thorwaler schleuderte dem anstürmenden Paktiererse seinen Schneidzahn entegegen und die Axt bohrte sich in dessen Schulter; beinahe zeitgleich zerbarst meine Feuerlanze an der Brust des Mutanten; von den beiden Treffern wurde er einige Meter zurück in den Nebel geschleudert. Derweil brausten die beiden Bestien brausten. Glücklicherweise hatte unser Maraskani hatte sein anfängliches Entsetzten überwunden und stellte sich einer der Kreaturen mit gezücktem Tuzakmesser entgegen: Wie zwei Wirbelwinde stürzten die Kontrahenten aufeinander zu. Mehrfach rissen die Klauen des „Flederwolfes“ in das Fleisch des Kriegers, bevor dieser den Kampf jäh beendete: Die messerscharfe Klinge Nynjians fuhr blitzschnell herab und der Kopf des Wolfes segelte durch das grünliche Licht der Höhle! Eine Meisterleistung, wenn es auch Schade um das Tier war.
Ragnar bekam es derweil mit dem Magierdämon zu tun und ich musste mich allein, bar meiner magischen Macht, den Kiefern der zweiten Bestie stellen, mein treues Bannschwert biss zwar wie eine silberne Flamme in das Fell des Wolfes, doch auch seine Fänge rissen tiefe Wunden in meine Arme und Beine. Der Thorwaler befand sich derweil in einem heftigen Ringen mit der dämonischen Wesenheit, als unvermittelt von hinten Rowenas Stab angeflogen kam und wild auf den Dämon einzuprügeln begann. Auch der Maraskani wandte sich nun dem Magier zu; nach zwei heftigen Kopftreffern von Rowenas Stab kippte er leblos hinten um. Rondra sei Dank, den nun konnten meine Gefährten mir im Kampf mit der zweiten Bestie beistehen, die wenig später darniederliegen sollte.
Nach der Versorgung unserer zahlreichen Wunden zerstörte ich zunächst das Heptagramm, um weitere Besuche aus der dämonischen Sphäre zu verhindern und um ganz sicher zu gehen durchbohrte ich noch den Schädel des Magiers, dessen Gestalt die Leiche nun auch wieder angenommen hatte mit meinem Bannschwert. Da weder die Überreste unserer Gegner noch die Höhle etwas Interessantes zu bieten hatten, drangen wir weiter in die unterirdischen Gefilde vor und gelangten bald in eine weitere Höhle, die Wohnstatt und das Labor des Magiers mit einer Folterbank in der Mitte und allerlei Gerätschaften an den Wänden. In einer kleinen Zelle fanden wir die kleine, total verängstigte Walga, was Rowena freute. Ich machte mich daran, den Schreibtisch des Magiers nach Hinweisen zu durchsuchen. Einigen Studien berichten entnahm ich folgendes: Sein Name war Robak von Yrramis, ehemals Magus der Akademie der Verformungen zu Lowangen, ob seiner Studien aber verbannt (welch kleinliche Engstirnigkeit der Grauen Gilde) Rowena plünderte derweil das alchimistische Labor des Zauberers. Neben alchimistischen Zutaten und einigen Tränken (von denen ich die meisten dank meiner Ausbildung identifizieren konnte), Pergamenten mit Zauberformeln fand sich hier auch Zurbarans Meisterwerk „Chimaeren und Hybriden“. Welch ein Fund! Auch die Fragmente eines Briefes von einem gewissen „Lew! waren vorhanden; seine Ursprünge führten nach Festum und es war die Rede von einem „großen Projekt“ sowie einer prekären „Ingredienz“, die ihm hierzu noch fehle. Ragnar und Nynjian durchsuchten derweil die restliche Habe des Magiers, wobei der Maraskani mit dem Fund von einem Beutel voller Edelsteine erfolgreicher war.
Wir hatten auf der ganzen Linie gesiegt, nur Schade, dass Robaks Stab nicht auffindbar war, ich hatte ihn zwar nicht selbst getötet, aber doch mitgeholfen und er hätte sich daheim in Brabak als Trophäe in meinem Studierzimmer gut gemacht.
Da es nun mittlerweile tief in der Nacht war schlugen wir nach einigen Diskussionen hier unser Lager auf, um am nächsten Tag nach Helsum zurückzukehren.
16. – 21. Hesinde 16 Hal
Bornwald – Helsum – Bornische Wildnis
Der Marsch nach Helsum zurück verlief ereignislos, sieht man davon ab, dass sich die kleine Walga, nachdem wir ihr Zutrauen gewonnen hatten in einen kleinen Wirbelwind - und eine wahre Nervensäge - verwandelte. Als wir in dem kleinen Weiler ankamen, gab es ein großes Hallo und wir waren die Helden des Dorfes. Es wurde mehrere Tage gefeiert, währenddessen konnten wir unsere Wunden auskurieren und uns ausruhen. Ragnar bewies desöfteren seine Trinkfestigkeit - und Rowena stand ihm dabei in nichts nach! Das ganze Dorf kam zusammen, als wir uns schließlich verabschiedeten, und es floss so manche Träne. Nichtsdestotrotz wollten wir Rowena wie versprochen zurück in ihr Heimatdorf Dornstein, drei Tagesreisen von hier, eskortieren. Auch diese Wanderung verlief ereignislos, sieht man mal von Ragnars fürchterlichen Durchfall ab, und davon dass Nynjian etwas von seiner Kriegsbeute – der Lederbeutel mit den Edelsteinen erwies sich als löchrig - in den Weiten des Bornlands verlor.
22. Hesinde 16 Hal
Bornstein
Des Abends erreichten wir den kleinen Ort, über dem die kleine Burg des freien Junkers Laszlo von Dornstein thronte. Der malerische Ort wird von einer dichten Dornenhecke beschützt. Als wir ankamen, waren die Dörfler in hellem Aufruhr. Alle Bewohner hatten sich mit Mistgabeln und Fackeln am Marktplatz versammelt und wollten wohl eine Hexenjagd veranstalten. Nach Rowenas vorsichtigen Erkundungen (anscheinend wusste hier niemand , dass sie selbst eine Tochter Satuarias war) konnten wir in Erfahrungen bringen, dass der örtliche Hexenzirkel bezichtigt wurde, das Dorf mit einer wahren Flut an Raubtierüberfallen und plötzlichen Krankheitsausbrüchen, sowie fürchterlichen Schneestürmen geschlagen zu haben. Ich muss sagen „Respekt!“ vor solch magischer Macht. Auch die Dorfhexe Nadeschja, die den Bewohnern schon viele Jahre helfend zur Seite gestanden hatte, war verschwunden und darob Gegenstand des Misstrauens geworden. Im Anschluss an eine heimliche und noch dazu völlig überflüssigen Durchsuchung der Hütte der Hexe machten wir es uns in Rowenas Kate gemütlich.
23. Hesinde 16 Hal
Bornstein
Nach einem kurzen Frühstück brachen wir auf, um Nadeschjas Schwester Katalinja aufzuspüren, die eine Hütte irgendwo im Wald besaß. Ein Gespräch sollte klären, warum der bislang friedliche Hexenzirkel sich nun gegen die Dorfbewohner gewandt hatte. Einen halben Tagesmarsch später kamen wir schließlich bei der Hütte an, trafen dort aber nicht auf Katalinja, sondern auf die verschwundene Nadeschja, die uns den Zorn ihrer Hexenschwestern erklären konnte: Vor ein paar Tagen wurde nämlich Katalinjas Tochter Senja von einigen Leuten schwer verletzt und fast getötet - und nicht nur das: Auch Senjas Nachwuchs, ein seltenes Hexenei, wurde geraubt und da die Angreifer scheinbar aus dem Dornstein gekommen waren, musste das Dorf jetzt büßen. (Bei dieser Gelegenheit fiel mir wieder der Brief aus Robaks Höhle ein, in dem sein Freund Lew berichtete, er wäre auf der Suche nach einer seltenen Zutat, die ihm seine Jugend zurückbringen konnte. Zufall? Ich glaube nicht.) Senja konnte sich leider kaum an die Angreifer erinnern, nur dass ein Zwerg unter ihnen war. Nun gut, ein Angroschim konnte in dem kleinen Weiler nicht so schwer zu finden sein. Wir versprachen den Hexen, die Schuldigen zu stellen und das gestohlene Ei zurückzubringen, dafür versprachen diese, weitere Angriffe auf das Dorf zu unterlassen. Zurück in Bornstein konnte uns Eljascha, die alte Wirtin vom „Waldschrat“ nähere Auskunft über drei Fremde geben, die vor etwa einer Woche bei ihr eingekehrt waren. Das Trio trug die schönen Namen „Vierauge“ - ein al’anfer Magier -, „Zange“ - wahrscheinlich ein Schläger - „Fässchen“, ein feister Zwerg. Nach einer ausgelassenen Zeche seien alle drei eilendes und ohne zu zahlen nach Festum aufgebrochen.
Nun musste noch Junker Laszlo, der Dorfschulze Ludjeff und das restliche Dorf von der neuen Lage der Dinge informiert werden. Eine kurze Ansprache konnte die Dörfler beruhigen und einer von ihnen bot uns an, uns mit seinem Kahn nach Festum zu bringen, im Winter schnellste Möglichkeit, um von hier aus die bornische Hauptstadt zu erreichen.