***
Unterwegs
Müde aber zufrieden saß Grimmar am Feuer. Der Tag hatte einen fast endlosen Ritt auf dem Rücken eines Pferdes zu bieten. Doch hatte es sich gelohnt: etwa in drei Wochen wollten sie ihr Ziel erreichen und im Moment waren sie irgendwo im Nordwesten Terra Nigras.
Über Grimmar am Nachthimmel zogen fremde Sternbilder vorbei und die wenigen, die er aus der Heimat kannte, waren an anderen Stellen zu finden. Auch die Bäume und die Pflanzen um ihn herum schienen anders als daheim. Doch war es nicht weiter verwunderlich, schließlich befand er sich in den Mittellanden.
Doch war er nicht allein. Etwas abseits vom Feuer hatte sich Kaela und der Faun namens Kniffel zur Ruhe gelegt, da Grimmar zugesagt hatte die erste Nachwache zu übernehmen. Und so saß er dort, lauschte in die Nacht und hörte außer dem Ruf so manches Wildtieres nichts. Er freute sich, dass die Nächte hier weit nördlich seiner Heimat, noch hinter dem großen Wasser wärmer und freundlicher waren, als in Hag Raurik. Seine Heimat, die unter starken Schrecken zu leiden hatte und von Feinden mit dem Spinnenbanner im Westen belagert wurde. Was machte er also hier mit zwei der besten Krieger aus dem Swajut Raskell Falkenwinds, begann doch zu Hause ein Krieg?
Am Abend des Beltaine-Fests hatte Grimmar um ein Gespräch mit seinem Gunrik gebeten, hatte ihm erklärt, dass vielleicht ein neues Schreiben des Sturmhüters, des ersten Guiskards der gleichnamigen Halvor-Sippe, eintreffen könne, dass ihm befehle wieder aus zu ziehen in dessen Namen. Raskell war darüber nicht erfreut, erklärte aber, dass er sich dem Willen und dem Befehl einem der Twalibi unterwerfen würde. Und so kam es dann, dass zwei Tage später ein Bote Markward Sturmhüters in Hoimarshold erschien, ein Schreiben für Grimmar in den Händen und einen Beutel voll Geld. Wie besprochen sollte seine Reise nach Nevenburg in den Mittellanden führen. Alles was Grimmar in dem Schreiben las, war im bereits bekannt: nach Nevenburg reisen, verdeckt Informationen über Land und Leute sammeln, ergründen wo Bedarf für Waren aus Hag Raurik bestehen, was es mit dem Bürgerkrieg dort auf sich hätte und einen Bericht darüber verfassen. Auch der Schluss der Botschaft, die davon sprach Krieger aus dem Swajut zu seinem Schutz mit auf die Reise zu nehmen war ihm bekannt, doch musste Grimmar schlucken, als er überlegte, wie er dies Raskell beibringen sollte. Er hatte bereits mit der hohen Harada, mit Kaela über diesen vermutlich eintreffenden Auftrag geredet und diese hatte zugesagt ihn zu begleiten, besonders da sie in Nevenburg den Ein oder Anderen kannte.
Kaela sprach selbst bei Raskell vor und so war ihre Begleitung kein Problem. Doch bei der Anfrage nach einem weiteren Krieger aus dem Swajut, musste Raskell ablehnen - freundlich aber bestimmt.
Und so konnten sie denn nach kurzen Vorbereitungen zumindest zu Zweit losziehen, mit ihren Habseligkeiten und dem Notwendigsten bepackt und mit Proviant von der guten Paigi.
Weit waren sie noch nicht gekomme, als Grimmar bemerkte, dass er und Kaela verfolgt wurden. Ein Rascheln hier, ein knackender Ast dort im Unterholz - und dann stand Kniffel der Faun vor zwei gezückten Klingen, die der Scribor und die Harada aber schell wieder weg steckten.
Er wäre den beiden gefolgt meinte er, da er wusste sie würden aus den Wäldern Hag Rauriks wegziehen und er müsse auch die Forste wo anders kennen lernen. Und auch wenn Grimmar lieber einen weiteren Krieger an seiner Seite gehabt hätte, so war ein Wesen der Waldgötter sicher ein gutes Zeichen - auch wenn es Kniffel war.
Ihr Weg führte sie gen Norden, den Lorsak an der Landesgrenze Eilean Úrs entlang bis zum Meer. Hier konnten sie in einer kleinen Hafenstadt eine Passage in das trawonische Protektorat im Norden finden. Stetig waren sie darauf bedacht den Faun in lange Mäntel zu hüllen, da sicher nicht jeder auf ein solches Wesen soweit außerhalb der Wälder gefasst war. Sie legten in Berens Wacht, einer Hafenstadt im Aufbau, an und suchten dort ein Schiff, das in die Mittellande auslief. Nach einem Jahr im Swajut des Raskell Falkenwinds machte das Seefahren Grimmar so gut wie nichts mehr aus - ganz im Gegensatz zu dem Faun jedoch, der mit dem Wohlbefinden auf hoher See zu kämpfen hatte.
Das Gold, dass der Sturmhüter Grimmar auf seine Reise mitgab, leistete den Dreien gute Dienste und nach wenigen Nächten in den Tavernen von Berens Wacht konnten sie einen großen Segler ausmachen, der mit Handelswaren aus den Südlanden zurück in seine trawonische Heimat auslief.
An der Küste Trawoniens in den Mittellanden angekommen begann der wohl spannendste Teil der Reise: über den halben Kontinent in den Nord-Osten mussten sie um Nevenburg zu erreichen. Und so ritten sie bei Tag und rasteten bei Nacht, schlugen ihr Lager in den Wäldern auf, wenn weit und breit keine Anzeichen für eine Siedlung oder Menschen war. Trafen sie doch auf ein Dorf oder einen Weiler so erkundigten sie sich nach der besten Route zum Reisen, frischten ihren Proviant auf oder übernachteten dort. Reisende und Wanderer gab es zuhauf in den Mittellanden und so fielen die Drei nicht weiter auf.
Besonders lieb waren Grimmar natürlich die fremdländischen Tavernen. Und auch wenn er hierfür von Kaela schon wieder Spott und Hohn und von Kniffel nur Unverständnis geerntet hatte, so konnte er doch die eine oder andere Neuigkeit ihren Weg und Nevenburg selbst betreffend in Erfahrung bringen. Doch nun saß er hier auf einer Waldlichtung, das prasselnde Feuer neben und den besternten Himmel über sich, keine Schankmagd, kein Horn voll Met und kein weiches Bett. Doch es hätte schlimmer sein können – er wusste es. Er hatte es im letzten Jahr erlebt: Es war oft schlimmer, viel schlimmer gekommen als er gedacht hatte.
Gerade, als Grimmar über diesen Gedanken zu Lächeln begann, nahm er etwas hinter sich war. Seine Hand war sofort an seiner Axt, die auf seinen Oberschenkeln ruhte. Er hörte ein leises Geräusch und sprang sofort auf. Und da sah er ihn, knapp hinter sich stehen.
„
Du solltest dich schlafen legen Grimmar, so wie es Kaela macht. Ihr seid schon viel zu lange wach, ja ja...“, sagte der Faun.
„
Du weißt, dass du uns wecken musst wenn jemand kommt, ja Kniffel?“
Der Faun schaute Grimmar fragend an und er wüsste, dass es nichts bringen würde mit ihm zu diskutieren. Bislang lebten sie alle drei und das trotz der Nachtwachen Kniffels. Es würde schon weiterhin funktionieren und der Schlaf war wichtig, denn es würden noch viele, viele Meilen vor ihnen liegen und für jede Minute Schlaf sollte er dankbar sein - auch außerhalb einer Taverne...
EDIT: Notwendig aufgrund kleiner Änderungen